Die Freiwilligenagentur Maintal Aktiv lädt also am 24. Juli zu einer ambitionierten Radtour durchs ländliche Hessen. Start ist, wie passend für die hiesige Bevölkerung, nicht etwa an einem mondänen Ort, sondern an der ehemaligen Fähre in Dörnigheim – man setzt offensichtlich konsequent auf Nostalgie und Lokalromantik. Die 70 Kilometer lange Strecke, garniert mit Observierungen von Kleingärten, Wald, Bahntrassen und schließlich einer heroischen Steigung durch bescheidene Weinberge (E-Bikes werden ausdrücklich empfohlen, wie charmant), soll den Teilnehmern offenbar das Gefühl geben, sportlich tätig zu sein und etwas für die Gemeinschaft zu tun. Unterbrochen wird diese ostentative Volksnähe durch eine Pause in Rückersbach samt Mittagessen im „Schluchthof“ – wie mondän.
Nun, wie beeindruckend: Bürgerliche Energie, gebündelt in einer Fahrradtour mit 401 Höhenmetern, ist offenbar das Maß aller Dinge in dieser Region. Man organisiert sich, tritt in die Pedale und fühlt sich für ein paar Stunden als heroischer Weltverbesserer – selbstverständlich unter der Leitung eines erfahrenen Jörg Diedrich (dem vermutlich auch nichts anderes übrig bleibt, als seine Freizeit mit dem gemeinen Volk zu teilen). Besonders rührend die Option, dass auch die Einwohner von Wachenbuchen und Mittelbuchen unterwegs zusteigen dürfen. Dass Anmeldungen bis zum 19. Juli erforderlich sind, ist dabei vermutlich ein letzter Hauch von Strenge, mit dem man versucht, das allgegenwärtige Chaos des Kleinbürgertums im Zaum zu halten.
Wirklich bemerkenswert, wie wenig Ansprüche man zwischen Main und Bahntrasse an das eigene Glück verbindet. Man radelt Seite an Seite und genießt den naiven Stolz derjenigen, die glauben, mit ein bisschen Bewegung und Gruppenerlebnis den Kern des Lebens getroffen zu haben. Doch was will man erwarten? Schließlich kann man nur hoffen, dass am Ende des Tages niemand stürzt, sich verirrt oder – Gott bewahre – den Weinberg für einen exklusiven Ort hält.
Bleibt zu hoffen, dass Dörnigheim nach so viel kollektiver Anstrengung am Abend nicht vollkommen am Ende ist – und dass die Teilnehmer wenigstens ein Minimum an Aspirationsniveau aus der Tour mit nach Hause nehmen. Aber ach, wahrscheinlich reicht bereits die Aussicht auf den Schluchthof und eine warme Mahlzeit, um das Lebensglück im kleinstädtischen Milieu vollkommen zu machen.