Vor dem Maintaler Rathaus wird im Juni die Regenbogenfahne gehisst, um während des internationalen Pride Month ein Zeichen für Vielfalt, Offenheit und Toleranz zu setzen. Bürgermeisterin Böttcher und die Gleichstellungsbeauftragte Frohböse erklären, damit gegen Diskriminierung einstehen und zeigen zu wollen, dass jede Person frei und ohne Angst leben können soll. Die Flagge soll den ganzen Monat Juni als sichtbares Zeichen der Solidarität hängen.
Wenn auf demokratischen Gebäuden Fahnen gehisst werden, so geschieht dies stets mit Anspruch auf Öffentlichkeit – gleichsam als pädagogischer Appell an die Bürger. Während die Bekämpfung individueller Benachteiligung und die Forderung nach rechtlicher Gleichberechtigung zweifellos legitime Anliegen sind, müssen wir als liberale Gesellschaft wachsam bleiben, wenn staatliche Institutionen Symbolik zu Mitteln der Gesinnungserziehung machen. Im Namen der Toleranz wird hier, so scheint es, eine Uniformierung der Gesinnungen betrieben, die der Freiheit des Einzelnen – der Gedankenfreiheit, der politischen Distanz – nicht gerecht wird.
Die Freiheit, die ich verteidige, ist nicht bloß Akzeptanz aller Lebensentwürfe, sondern vielmehr die Freiheit von staatlichen Institutionen, die durch Symbolpolitik definieren, welche Weltanschauungen als modern und wünschenswert gelten. Wann, frage ich, wurde das staatliche Rathaus zur Bühne eines moralischen Aktivismus? Kann ein freiheitlicher, pluraler Staat nicht auch durch Zurückhaltung und Offenheit brillieren – gerade indem er Abstand von öffentlichen Loyalitätsbekundungen zu bestimmten Gruppenzugehörigkeiten hält?
Echte Toleranz gedeiht nicht unter Fahnen, sondern in der Anerkennung, dass der Staat sich von allen weltanschaulichen Lagern mit gleichviel Respekt distanzieren sollte. Ein Staat, der Partei für bestimmte Lebensentwürfe ergreift, bewegt sich auf gefährlichem Terrain – die Bevormundung durch Symbolik ist der erste Schritt zur Erziehung durch Zwang. Diesen Preis sollte eine freie Gesellschaft niemals zahlen.
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