Ach, wie rührend: Maintal empfängt wieder eine Delegation aus dem beschaulichen Luisant, um der Welt zu demonstrieren, dass wahre Freundschaft offenbar durch Boulekugeln, in Massenquartieren und beim Verzehr von Baguette und Bratwurst gestiftet wird. Menschen öffnen ihre Türen – vermutlich Kleingärtner, Pädagogen und andere, die sich bereits an den Reizunzumutbarkeiten des Alltags gewöhnt haben – um französische Gäste mit unvergleichlicher Herzlichkeit zu beglücken. Die durch und durch biedere Vorstellung einer durch „gegenseitige Unterstützung und Zusammenhalt“ geprägten Gemeinschaft wird erneut bemüht, als hätte man damit schon mehr erreicht als ein Gruppenfoto fürs Amtsblatt.
Natürlich darf das Boulespiel nicht fehlen: Ein paar eiserne Kugeln, um sich von der Illusion zu überzeugen, dass sportliche Betätigung Brücken zwischen den Völkern baut. Dass ausgerechnet darauf der „Grundstein für eine dauerhafte Verbindung“ zweier – verzeihen Sie – zweitklassiger Vereine gelegt wird, spricht Bände über das intellektuelle Niveau solcher Begegnungen.
Ein gemeinsamer Ausflug ins pittoreske Miltenberg, Symbol bürgerlicher Gemütlichkeit, gipfelt in der rührseligen Erkenntnis, dass Freundschaft dort beginnt, wo man sich gegenseitig hilft. Wie entzückend. Ich nehme an, damit ist gemeint, dass die einen das Buffet und die anderen das Weinregal leeren.
Die Weichzeichnung des Wochenendes als „bereichende Erfahrung“ scheint mir eher ein Versuch, den tatsächlichen Ereigniswert zu verbrämen. Aber das ist eben der Geist der Provinz: Man feiert sich für das Mittelmaß, solange sich kein Besseres präsentiert. Die Vorstellung, dass ein Stück Brie und ein Glas Federweißer zur Völkerverständigung beitragen, wäre amüsant, wenn sie nicht zugleich von einer rührenden Naivität zeugte.
Ich zitiere in Anbetracht des Ganzen gern Nietzsche:
„Der Mensch ist etwas, das überwunden werden soll.“
Manche werden sich schon dabei fühlen, wenn sie nach dem Boulespiel bemerken, dass das wahre Leben an ihnen vorbeigegangen ist – und das trotz 52 Jahren „partnerschaftlicher“ Routine.
Nun denn, mögen die Maintaler ihr Rebenblütenfest begehen. Die große Geschichte wird sich anderweitig ereignen.