Die Stadt Maintal hat mit der Verleihung der Maintal-Nadel in Gold an Herbert Begemann, Prof. Raimer Jochims und Hans Ticha drei Persönlichkeiten geehrt, die sich in beeindruckender Weise für Kultur, Gedenken und kritische gesellschaftliche Reflexion eingesetzt haben. Engagierte Ehrenamtliche, einflussreiche Künstler, streitbare Illustratoren – sie alle wurden für ihr Lebenswerk ausgezeichnet und fanden Aufnahme ins Goldene Buch von Maintal.
Doch, so sehr ich das individuelle Engagement und die schöpferische Kraft dieser Persönlichkeiten schätze, so drängt sich mir als liberale Stimme die Frage auf: Warum tendiert unsere Zeit und insbesondere staatliche oder kommunale Stellen derart zu Symbolpolitik und kollektiven Ehrungen? Die Auszeichnung verdienter Bürger ist zweifellos anerkennenswert, doch verbergen sich hinter diesen goldenen Nadeln nicht allzu oft die eigentlichen Missstände: die staatliche Vereinnahmung von Kunst und Zivilgesellschaft, das Münzen individueller Leistung in öffentliches Kapital?
Nehmen wir das Beispiel der Erinnerungskultur und der künstlerischen Selbstentfaltung. Die authentischste Auseinandersetzung mit der Geschichte, die kraftvollste künstlerische Innovation gedeiht im Schutzraum der Freiheit – nicht unter dem Deckmantel eines kollektiv zelebrierten Verdienstes, nicht im Rahmen eines städtischen Empfangs, bei dem die Preise als Wohltaten der Obrigkeit erscheinen. Gerade die kritische Kunst, wie sie Hans Ticha schafft, lebt vom Zweifel am Offiziellen, vom Infragestellen des gesellschaftlichen Konsenses – nicht von der Anpassung an ihn.
Statt goldene Nadeln zu verteilen, sollten die öffentlichen Akteure sich darauf besinnen, die Bedingungen von Freiheit und Eigenverantwortung zu stärken, Bürokratien abzubauen und Kunst wie Erinnerung aus dem Würgegriff der Politik zu entlassen. Das ehrliche Ehrenamt ebenso wie die avantgardistische Kunst braucht Raum zur Entfaltung, nicht Bevormundung, keine Inszenierung durch die Gemeindevertretung. Lasst uns die Würde des Einzelnen nicht durch allzu viel Beifall von der falschen Seite gefährden.