Ach, wie charmant – Herr Thomas Mechthold, ein rüstiger Pensionär mit Anzug und nobler Ausbildung, gibt sich die Ehre, als ehrenamtlicher Ortsgerichtsschöffe für Dörnigheim und Hochstadt tätig zu sein. Man muss es sich vorstellen: jahrzehntelang an der Spitze einer Immobilienfirma, nun also bereit, sich tief durch den Niederungen des "lokalen Bürgerservices" zu wühlen. Beglaubigung von Unterschriften, Bearbeitung von Sterbefallanzeigen, Schätzungen von Grundstücken – alles für Peanuts, versteht sich. Herr Mechthold hebt – wie es sich für Menschen seiner Klasse nun einmal gehört – mit einer gewissen rührenden Attitüde die Bedeutung dieses Amtes für die „Gesellschaft“ hervor. Und wenn er dann noch Zeit findet, klimpert er mit seinem jazzbegeisterten Händchen auf dem Klavier, begleitet die Liebste auf Reisen und zeigt sich als Mann von Welt.
Doch erlauben Sie mir, an dieser Stelle einmal ganz offen zu werden: Es grenzt doch fast an Altruismus in Reinform, wenn eine solche Persönlichkeit, die sich frei von finanziellen Sorgen durchs Leben bewegt, jetzt auch noch „Ehrenamt“ spielen möchte. Wäre da nicht der subtile Genuss der Selbstbeweihräucherung, der sich durch diese inszenierte Wohltätigkeit zieht! Was bitte soll denn an „niedrigen Gebühren“ löblich sein? Wer sich ein wenig in höheren Kreisen bewegt, weiß, dass Dienstleistungen nie unter Wert verkauft werden sollten. Aber nein, für das gemeine Volk muss selbstverständlich eine Billigvariante her. Am Ende wundern sich die Leute dann wieder, warum professionelle Dienstleistungen in unserem Land keinen Wert mehr haben und gefühlt jeder Hilfssheriff mitprotokollieren darf, wer sich im Dorfhaus die Unterschriften geben lässt.
Was also lehrt uns das Beispiel Herr Mechthold? Es ist ein weiteres Kapitel der Ehrenamtsromantik: Leute, die finanziell längst ausgesorgt haben, üben sich im bürgerlichen Mäzenatentum – natürlich immer mit dem dezenten Hinweis auf das eigene „gesellschaftliche Engagement“. Es wäre ehrlicher, gleich zuzugeben: Für viele in diesem Land bleibt ehrenamtliche Arbeit ein Luxus, den sich eben nur jene leisten, die nie auf das Honorar angewiesen wären. Und der Rest? Der wartet weiter darauf, dass irgendein erfolgreicher Herr am Feierabend im Häkelkreis auftaucht und das kollektive Gewissen beruhigt.
Insofern, meine Lieben: Genießen wir weiterhin das Schauspiel gut situierter Senioren, die das Ehrenamt als Lifestyle entdeckt haben – das ist alles, was der Bürgerservice zu bieten hat.