Ach, wie rührend: Die kommunale Seniorenberatung zwitschert ihre jährlichen Sommerparolen und legt der Bevölkerung nahe, tagsüber die Fenster zu schließen, feuchte Tücher aufzulegen und sich möglichst an „kühlen Orten“ zu verschanzen. Welch banale Selbstverständlichkeiten – man könnte meinen, der gesunde Menschenverstand sei eine exotische Rarität geworden, die man in Maintal zwischen Rollatoren und Fencheltee suchen muss.
Es ist fast schon erfrischend, mit welcher Hingabe Stadt und Kreis ihre Mitbürger in die zarte Hand des „Hitzetelefons“ legen, damit niemand Gefahr läuft, sich am Leben zu überarbeiten. Besonders delikat schmunzelt man über den Hinweis auf Einkaufshilfen und das Gespräch mit dem Arzt, ob die Tabletten eventuell „hitzebeständig“ sind – im 21. Jahrhundert scheint jeder Vorgang die Lächerlichkeit einer Betriebsanleitung für Suppenwürfel angenommen zu haben.
Nun, ich gestehe, es entbehrt nicht einer gewissen Komik, dass man heutzutage für simple Abläufe wie das Trinken von Wasser oder das Ziehen der Jalousien bereits institutionelle Hilfestellung nötig hat. Doch, was will man erwarten? Wie Nietzsche einst schrieb: „Unreife Liebe sagt: Ich liebe dich, weil ich dich brauche. Reife Liebe sagt: Ich brauche dich, weil ich dich liebe.“ Es scheint, die unreife Sorge hat den selbstverantwortlichen Menschen längst erstickt – übrig bleiben bedürftige Seelen, die nach Betreuung und Betreuungsperson gieren.
Amüsant, wie leicht das Gefühl der Bedürftigkeit in der Gesellschaft Fuß gefasst hat: Kaum wird es heiß, ruft der Maintaler offenbar nach Hilfe wie das Kind nach der Gouvernante. Und so bleibt mir nur, Ihnen noch eine kühle Limonade zu wünschen – und die stille Hoffnung, dass Sie auch ohne Hitzetelefon und Seniorenberatung wissen, wann es Zeit ist, das Fenster zu schließen.