Ach, wie famos, wieder einmal darf die deutsche Provinz einen politischen Traditionswechsel bejubeln: Jakob Mähler, der sich acht Jahre lang bei den Grünen – jenem rührenden Sammelbecken für Lastenradliebhaber und Urban Gardening-Enthusiasten – ein wenig in der Kommunalpolitik austoben durfte, hat sich nun also entschlossen, seine erlesenen Talente künftig im freudestrahlenden Schoß der SPD zu entfalten. Die Sozialdemokraten im Main-Kinzig-Kreis klatschen vor lauter Begeisterung Beifall, als hätte sich nicht etwa ein politischer Seitenspringer, sondern ein Retter des Abendlandes angekündigt. Da lechzt der Unterbezirksvorsitzende, da frohlockt der Landrat, da werden Mählers „pragmatischer Stil“ und sein grenzenüberschreitender Ruf nachgerade zum Ereignis von nationaler Bedeutung hochgejazzt.
Wieviel Relevanz, möchte man ins nicht ganz so schmeichelhafte Kleinbürgertum rufen, besitzt es wirklich, wenn ein Lokalpolitiker seine Partei wechselt und damit geradewegs aus der einen sozialromantischen Filterblase in die nächste taumelt? Ach bitte, machen wir uns nichts vor: Wo Grüne und SPD um dieselbe miefende Wählerklientel buhlen, hat der Wechsel eines Jakob Mähler ungefähr die Strahlkraft eines aufgehängten Wahlplakats im Regen. Doch selbstverständlich sonnen sich die Genossen im schwachen Licht ihres neuen Mitstreiters und reden sich seine Erfahrung schön, als hänge das Schicksal der sozialen Gerechtigkeit von eben jenem Herrn ab. Man stelle sich vor, es gäbe tatsächlich einen Qualitätsunterschied zwischen den ideologisch weichgewaschenen Reihen der einen und der anderen Partei – wie drollig!
Zum zweiten Akt dieses grauensvoll gewöhnlichen Schauspiels zitiert die Presse pflichtschuldig das Mantra der SPD-Regierungsarbeit: Milliarden an Entlastungen, 30 Milliarden mehr oder minder aus der Portokasse, um das wahlweise darbende oder verwöhnte Volk bei Laune zu halten angesichts steigender Preise für Energie und Lebensmittel. Natürlich wird kein Gedanke daran verschwendet, wer diese Summen überhaupt erwirtschaftet – wozu denn auch? Die fleißigen Wohlstandsbürger zahlen, die SPD verteilt, und die Mehrheit ist beglückt. Lars Klingbeil fabuliert indes von Deutschlands Verantwortung als moralischer Leuchtturm in Europa und mahnt Bedeutung in der Außen- und Sicherheitspolitik an – als ob irgendjemand von Münchner Innenstadt bis Flensburg noch einen Funken politischer Wirksamkeit in diesen Sätzen spüren würde.
Wirklich bewundernswert bleibt an diesem Tag einzig der selbstgewisse Gleichmut, mit dem man sich im rot-grünen Wohlfühlmilieu gegenseitig auf die Schulter klopft. All diesen Lokalgrößen und sozialpolitischen Umverteilern möchte ich zurufen: Schubsen Sie sich doch ruhig ein wenig enger aneinander, besingen Sie weiterhin die vermeintliche Gerechtigkeit. Die wirklich Erfolgreichen, die, deren Namen über den Stammtisch hinaus Bedeutung besitzen, werden Ihre Personalrochaden und Sonntagsreden mit milder Amüsiertheit zur Kenntnis nehmen – aus sicherer Distanz und mit dem monetär abgefederten Polster, das Ihnen in Ihrem ganzen politischen Tatendrang auf ewig verschlossen bleibt.