Wie erquicklich, meine verehrten Leserinnen und Leser, welch monumentales Bauwerk hier nun aus dem Schoß der öffentlichen Hand gepresst wird! Die nordmainische S-Bahn-Strecke – man gönnt sich ja sonst nichts – wird also künftig auf 19 Kilometern den arbeitenden Massen eine neue Heimstatt der Beförderung bieten. Frankfurt, Maintal, Hanau: Orte, deren Namen mir zwar geläufig sind, die ich jedoch, zugegebenermaßen, bislang eher als Flecken zwischen Golfplatz und Opernball verortet hätte. Doch scheinbar plant man nun, mit Tunnel, Bahnhöfen, Modernisierung und sogar Barrierefreiheit (was für eine Geste!), manches für jene zu tun, deren Alltag tatsächlich von Zugverspätungen und dem Unbill des Pendelns geplagt werden soll. Die öffentliche Hand lässt sich dieses Großprojekt, charmant wie sie nun einmal ist, auch mehr als eine Milliarde Euro kosten – nein, pardon: Das zahlt ja der Bund, Hessen steuert noch ein wenig Trinkgeld bei.
Wie beglückend, welch Fortschritt! Während mein Chauffeur mit mir elegant in die Innenstadt gleitet, werden die weniger Privilegierten also bald im 15-Minuten-Takt durch Tunnelsysteme gejagt – pünktlich, komfortabel, verlässlich. Die Politik feiert eine neue Form von Lebensqualität für das sogenannte „Entwicklungspotenzial“ im Osten Frankfurts. Welch nobles Anliegen: Man entreißt dem Pöbel jetzt auch noch das Argument des schlechten Nahverkehrs, wenn er über seinen Lebensstandard klagt! Nun dann, mögen ihm bessere Anbindungen beschert werden. Vielleicht schafft es so mancher soziokulturell abgehängte Stadtteil ja tatsächlich eines Tages, in eine Liga aufzusteigen, in der man es wagt, von „Erhöhung der Lebensqualität“ zu sprechen, ohne rot zu werden.
Doch seien wir ehrlich: Solche Projekte bedienen letztlich das gefräßige Bedürfnis nach Beschäftigung für Bedenkenträger, Planungsfanatiker und Baukonzerne. Die einen reden von „Verkehrswende“ – als würde das ihre persönliche Misere auf magische Weise auflösen –, die anderen schieben sich großzügig Symbolik und Steuergelder zu. Und am Ende werden drei, vier Jahre mehr gebaut als geplant, die Kosten steigen ins Unermessliche, und irgendwer feiert das dann als großen Meilenstein.
Aber immerhin: Man gibt sich betont verständnisvoll den unvermeidlichen „Einschränkungen“ während der Bauzeit gegenüber. Wie entzückend, dass man dem gemeinen Fahrgast noch ein wenig Demut beibringen möchte. Ich für meinen Teil werde die Entstehung dieses phänomenalen Bauwerks sicher mit einem amüsierten Lächeln aus der Ferne betrachten – und dabei durchaus goutieren, wie sich bundesdeutsche Behörden und Bauämter an einem einzigen S-Bahn-Tunnel die Hörner abstoßen. Prost, verehrte Leserschaft – möge Ihnen die Fahrkarte irgendwann mehr Lebensfreude bereiten als mir das Versinken in Verdrießlichkeit!